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Salzgitter

Fuxundkauz zu Besuch an der Emil-Langen-Realschule

Philosophische Denkshops "fuxundkauz" waren erneut vom 7. bis zum 10. Oktober 2025 in der Emil-Langen-Realschule.

Miriam Holzapfel und Stefanie Segatz

Dass "fuxundkauz" sich (und ihren jungen Mitdenker/innen) an der Emil-Langen-Realschule „Guten Morgen“ sagen, ist inzwischen schon zu einer kleinen Tradition geworden. 2023 waren die Gründerinnen des gleichnamigen Projekts für Kinder und Jugendliche, Miriam Holzapfel und Stefanie Segatz, das erste Mal zu Gast, um vier Vormittage lang mit den Schülerinnen und Schülern der 5. und 6. Klassen über die Fragen „Wer bist Du?“ und mögliche Zutaten für „Das gute Leben“ nachzudenken. 

Im Vordergrund steht bei diesen „Denkshops“, ausgehend von einer philosophischen Fragestellung, gemeinsam zu erkunden, was uns verbindet und wie wir mit unterschiedlichen Meinungen und Erfahrungen umgehen können. Wie kann ein wertschätzendes Miteinander-Reden und Einander-Zuhören gelingen, und was heißt es, selbst und damit eigenständig zu denken? 

In den moderierten und spielerisch eingeleiteten Gesprächen geht es um die Vorstellungen, die Überlegungen, die wesentlichen Fragestellungen und Ideen der Kinder selbst. Darum gibt es auch keine „falschen“ Antworten, sondern ein interessiertes Nachfragen nach Argumenten und Erfahrungen. Jenseits von Leistungsdruck und auf einladende Weise ermutigen "fuxundkauz" jeden und jede Einzelne/n aus der Gruppe, in sich hineinzuhorchen, die eigenen Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen und sich gerne mit den anderen darüber auszutauschen.

Denn um zu erkennen, wer man ist und was für einen oder eine persönlich zu einem guten Leben gehört, gehört ja wiederum beides: das Hören nach außen und das Hören nach innen, das interessierte Gespräch und das Aushalten von Fragezeichen und Redepausen. Es kann Mut erfordern, die eigene Meinung zu vertreten oder zuzugeben, dass man noch unsicher ist. Nicht selten braucht es Geduld, sich über eigene Ansichten klar zu werden oder zu warten, bis jemand anderes sich verständlich gemacht hat. Vor allem aber erfahren die Schüler/innen an diesen Vormittagen, dass sich ihre Vorstellungen von einem guten Leben und ihre damit verbundenen Wünsche in vielem erstaunlich ähnlich sind.

Das zeigt sich schon beim Sammeln und Zusammentragen der Begriffe, die für die Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse maßgeblich an ihre Vorstellung von einem guten Leben geknüpft sind. Anhand zunächst verdeckter und auf dem Boden ausgebreiteter Karten diskutiert die Gruppe während mehrerer Spielrunden, für wie wichtig sie zum Beispiel den Punkt „Ernährung“ oder den der „Freiheit“ hinsichtlich der Möglichkeit eines guten Lebens halten. Sei die Ernährung vorrangig bedeutsam, damit Menschen nicht hungern müssten und weil Kinder gute Nahrung bräuchten, um zu wachsen, gehe es schließlich auch darum, „dass man sich in seinem Körper wohlfühlt“. Demgegenüber gebe es immer wieder Situationen – so fügt ein Schüler hinzu – in denen manche schlechter behandelt würden, weil deren Körper nicht den Vorstellungen der anderen entspräche. Bei näherem Hinsehen wird klar: kaum einer der aufgeworfenen Begriffe begnügt sich mit eindeutigen Antworten, stets werden diese von Kontext und Blickwinkel mitgeformt.

Auch bei der „Freiheit“, die im Grunde für alle erstrebenswert erscheint, die eine Voraussetzung dafür ist, sich angstfrei und ohne Not zu entfalten, differenzieren  die Schüler/innen. Eigene Entscheidungen treffen zu können, sei schon gut – also selbstbestimmt rauszugehen, Freunde zu treffen und beispielsweise Eis zu essen. Freiheit könne sich auch erweitern mit dem Älterwerden, was allerdings auch wieder größere Verantwortung mit sich bringe. Das treffe zum Beispiel zu, sagt eine Schülerin, wenn man sich um seine kleineren Geschwister kümmere. Für sie ist das eine Aufgabe, die sie sehr gerne übernimmt, aber zugleich hat sie auch den wohlmeinenden Hinweis ihres Vaters im Ohr, dass man nicht vergessen dürfe, sich auch mal Zeit für sich zu nehmen. Und dann habe jede Freiheit gewisse Einschränkungen, die möglicherweise doch auch sinnvoll sein können, überlegt die Gruppe weiter. In die Schule gehen zu „müssen“ gehört für einige dazu. Ein Junge spricht von den Regeln, die einem/r durch seine oder ihre Religion beziehungsweise die jeweilige Religionspraxis vorgeben seien. Für ihn ist ganz klar, dass dies trotzdem okay sein könne, denn es läge ja auch an der eigenen Entscheidung, ob man gemäß dieser Religion leben wolle. In unserem Grundgesetz, so erinnern "fuxundkauz" bei dieser Gelegenheit, gibt es dafür sogar einen eigenen Begriff: den der „Religionsfreiheit“.

Es warten aber noch eine ganze Reihe anderer Begriffskärtchen darauf, gezogen und anschließend diskutiert zu werden. Darunter so unterschiedliche wie „Heimat“ oder „Geld“, wie „Bewegung“, „Sicherheit“ und „Spaß“. Und auch ein Joker hat sich mit dazu gemischt, bei dem die Schüler/innen sich noch einmal einen ganz eigenen Favoriten ausdenken können. Jedes Kind, das eine Karte aufgedeckt und vorgelesen hat, darf zunächst sein eigenes Votum abgeben. Als ein Schüler bei der von ihm gezogenen Karte erklärt, warum gerade die „Familie“ für ihn so bedeutsam ist, können die anderen seine Gründe sehr gut nachvollziehen: die Familie sei für ihn so wichtig, weil sie sich um einen kümmere und einen beschütze, weil sie „für immer“ sei und dadurch – so zumindest kann man es zwischen den Zeilen erahnen – ein Gefühl von Verlässlichkeit, Vertrauen und Geborgenheit vermitteln kann. Es gibt aber auch eine Einschränkung, fällt dem Schüler noch ein, denn natürlich hätten nicht alle eine nette Familie. In solchen Fällen können „Freundschaften“ eine große Hilfe sein. Ein Punkt, der für die Schüler/innen ebenfalls ganz vorne rangiert. Das gilt natürlich nicht nur in Krisenzeiten, denn das Tolle an Freund/innen sei ja auch, dass man mit ihnen zusammen Spaß haben, einfach durch die Gegend laufen und gemeinsame Hobbies pflegen könne. Nicht allein zu sein, spielt für die meisten Kinder also eine große Rolle, auch wenn es – wie ein Schüler noch präzisiert – neben „guten Freunden“ gelegentlich auch „falsche Freunde“ geben könne. Da braucht es dann die eigene Urteilskraft und genügend Selbstvertrauen, sich negativen Einflüssen möglichst zu entziehen.

Sich so intensiv über ein dermaßen großes Thema Gedanken zu machen, kann einen ganz schön beanspruchen und erfordert Zeit. Und natürlich reichen 90 Minuten nicht aus, die Frage nach dem „guten Leben“ auch nur halbwegs erschöpfend zu behandeln. Aber der wichtige Impuls zum Weiterdenken und Erfahrungsaustausch ist gesetzt. Das Denken hört ja sowieso nie auf und wo man eine Antwort zu haben meint, tun sich gerne schon die nächsten Rätsel auf – das kann eine überraschend motivierende und beglückende Erfahrung sein. Das inzwischen randvoll beschriebene „Das gute Leben“-Plakat verbleibt später in der jeweiligen Klasse und motiviert auch Lehrkräfte dazu, an diesen Denkshop noch einmal anzuknüpfen. 

Nach einer kleinen Pause geht es normalerweise direkt weiter mit dem Filofux-Magazin, das die Referentinnen eigens für dieses Veranstaltungsformat entwickelt haben. Für Klasse 6.4 und Klasse 6.1 haben sich Stefanie Segatz und Miriam Holzapfel am dritten "fuxundkauz"-Vormittag aber noch eine kleine Ergänzung überlegt – denn auch in Erzählungen und sogar ganz alten Märchen können wir Stoff, Bezugspunkte und Anregungen für viele aktuelle Fragestellungen finden. Und das Gebrüder-Grimm-Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ scheint für eine weitere, vertiefte Perspektive auf die Frage, was wir für ein gutes Leben zu brauchen meinen, geradezu wie geschaffen zu sein. Miriam Holzapfel erzählt es für die Schüler/innen in seinen wesentlichen Stationen nach, ohne dass die unausgesprochene Frage, was man sich wohl selbst von dem verzauberten Fisch gewünscht hätte, noch im Stuhlkreis ausdiskutiert werden müsste. Die Schüler/innen sollen ihre ganz eigenen Wünsche und Gedanken dazu jetzt einfach mit an die Tische nehmen, wo sie gleich die grüne Seite in ihrem Filofux-Magazin aufschlagen und im Stillen oder zusammen mit ihren Tischnachbar/innen wahlweise schreibend und malend kreativ werden können. Auch das ist ein wertvoller Teil dieses Workshops, weil er den Referentinnen Gelegenheit bietet, nochmal mit einzelnen Schüler/innen oder kleineren Gruppen ins Gespräch zu gehen und sich anhand der Aufgaben im Magazin von den Kindern deren ganz konkrete Ideen und Überlegungen erklären zu lassen. 

Und dann ist auch dieser "Denkshop" schon wieder vorbei – jedoch nicht ohne eine kurze Abschlussrunde, in der die Schüler/innen – so wie es der Zeitplan erlaubt – noch eine Auswahl ihrer persönlichen Filofux-Artikel und -Kommentare vorstellen können. Mit einem herzlichen Dankeschön für ihre Gedanken und den besten Wünschen für ein gutes Leben verabschieden sich Miriam Holzapfel und Stefanie Segatz von den Kindern. Und auch, wenn noch nichts dazu feststeht, merkt man den Beteiligten an: Toll wäre es, wenn man sich im nächsten Jahr zu einem neuen "Denkshop" wiedersehen könnte. Ob dann aber auch „genau Ihr wieder hierher zu uns kommt“ wurden "fuxundkauz" an einem der Vormittage von einer Schülerin gefragt. Darüber würden wir uns alle jedenfalls sehr freuen!

Danke für vier inspirierende Vormittage allen Mitwirkenden – den Schüler/innen der 5. und 6. Klassenstufe der Emil-Langen-Realschule, allen beteiligten Lehrkräften, der Bundeszentrale für politische Bildung, die das Projekt auf so großzügige Weise finanziell unterstützt hat, und, „last but (surely) not least“: Miriam Holzapfel und Stefanie Segatz alias "fux" und "kauz"!

Veranstaltungspartner in Salzgitter - das Literaturbüro der Stadt Salzgitter

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